TEST: Stereo-Standbox Jamo R907 - optische Extravaganz und klangliche Raffinesse?

25. Mai 2010 (cr)

Imposant - Jamo R907

Einführung

Für einen Stückpreis von 4000 EUR offeriert Jamo die optisch sehr extravagant gehaltene Standbox R907, ein Dreiwege-Dipol-Lautsprecher. Lieferbar in hochglänzendem Schwarz oder hochglänzendem Rot, pusht die pro Stück 52,4 kg schwere Box den Bassbereich mit zwei üppig dimensionierten 305 mm Basstreibern. 

Jamo R 907 - Overview

 

Ein 140 mm Mitteltonchassis und ein 25 mm Hochtöner ergänzen die Bestückung. Satte 500 Watt verkraftet der Schallwandler kurzzeitig, als langzeitige Belastbarkeit stehen immer noch 350 Watt  im Datenblatt. Als Empfindlichkeit (2,83 V @ 1 m) nennt Jamo 89 dB. Die R907 fällt im Wohnraum auf - auch die nicht eben bescheidenen Abmessungen von 1189 x 440 x 487 mm (H x B x T) sprechen dafür. Was die ungewöhnliche Konstruktion leistet, steht in unserem Praxistest. 

Verarbeitung und Technik 

Durch den sehr massiven Standfuß ist die Jamo der "Fels in der Brandung"

Gummifüße unter dem Sockel - wahlweise Spikes 

Extravagante Optik - vor allem von hinten

Nahaufnahme - Basstreiber Rückseite

Saubere Detailverarbeitung

Chassis mit massiven Magneten

Hinten - ultramassive Verarbeitung, robust verschraubt, hohe Materialqualität

Bi-Wiring-Terminals

Sehr gute Oberflächenqualität

Verarbeitung - Overview

 

 

Bezüglich der Verarbeitung beeindruckt die Jamo R907 durch ungewöhnliche Detaillösungen - so sind die Chassis praktisch "frei" montiert - und durch hohe Verarbeitungsqualität. Schon das enorme Gewicht des Schallwandlers dokumentiert die immense Hochwertigkeit. Viele Teile bestehen aus massivem Metall, auf dem schweren Sockel steht die Box sicher in allen "Lebenslagen". Und das ist auch nötig, denn dank Belastungswerten von 350 Watt (langfristig) beziehungsweise 500 Watt (kurzfristig) kann die R907 ein wahres Feuerwerk freisetzen. Dank der beiden 305 mm Basstreiber kann die Jamo-Box einen ausgezeichneten Tiefgang bis hinunter auf 35 Hz garantieren - eine glaubhafte Angabe des Herstellers. Als obere Frequenzgrenze werden 35 kHz genannt. Der Schallwandler ist für eine Impedanz von 4 Ohm ausgelegt. Das hohe Gewicht von 52,4 kg pro Lautsprecherbox resultiert aus der ultramassiven Verarbeitung - die offen gestaltete Rückseite wird von einem Stahlträger gehalten, der aufwändig verschraubt ist. Die Chassis sitzen in der Schallwand - gerade die Basstreiber weisen massive, leistungsfähige Magnete auf. Die Verkabelung ist ordentlich. Die gesamte R907 ruht auf einem schweren Sockel, unter dem noch Gummifüße montiert sind. So gibt es auch auf kratzgefährdetem Untergrund keine Schäden am edlen Parkett. Die sehr gut verarbeiteten Lautsprecherkabelanschluss-Terminals sind selbstverständlich Bi-Wiring-geeignet und sind leichtgängig. Wahlweise kann man den Schallwandler komplett offen betreiben oder aber vorn und hinten ebenfalls von hervorragender Qualität. Der Rahmen ist massiv und der Stoff wirft keinerlei Falten. Gesamtnote in Relation zur Preisklasse: Hervorragend. 

Testequipment
Klang

Klanglich ist die Jamo ein Lautsprecher, die weniger auf Neutralität und analytische Sezierarbeit setzt - vielmehr stehen hier Hörfreude und das nachdrückliche Freisetzen großer Mengen an Energie im Vordergrund. Dies belegt der Lautsprecher bereits durch die außerordentlich gute Pegelfestigkeit. Man kann problemlos sehr leistungsstarke Verstärkereinheiten anschließen - möchte man das volle Potential der R907 ausnutzen, dann sollte man am besten zu edlen Vollverstärkern ab 2000 EUR oder gleich zu Vor-/Endstufenkombinationen greifen, die in der Lage sind, massive Kraftspitzen in Richtung der Lautsprecher abzufeuern. Dass die R907 bezüglich der gefahrenen Pegel aus der Ruhe kommt, scheint kaum möglich zu sein - selbst bei Pegeln, die ein Großteil der Anwender im praktischen Leben bestimmt nicht fahren wird, sind weder Dröhnen noch Verzerrungen wahrzunehmen - das ist absolute Oberklasse. 

Bei "Let the Party begin" von den Klubbheads zeigt die R907 viele Qualitäten - der Bass ist massiv und nachdrücklich, gleichzeitig aber auch von einer tadellosen Präzision geprägt. Wir waren hier aufgrund des speziellen Bauprinzips skeptisch - aber die R907 ist alles andere als verschwommen und desorientiert bei der Basswiedergabe. Auch das Group Delay passt - kein "Nachhinken" des Bassbereiches, die Impulstreue ist wirklich gut. Dies kommt bei den treibenden Beats des Stücks sehr gut zum Ausdruck. Ähnliche Tugenden scheinen beim 2008er Remix des Klassikers "Infinity" von Guru Josh und DJ Klaas durch. Hier ist der Bass mit Substanz und Tiefgang gesegnet und bietet eine sehr gute Raumwirkung. Überhaupt die Räumlichkeit - diese ist ein immenser Vorteil der Jamo-Konstruktion. Selbst in Hörräumen um die 30 Quadratmeter entfaltet der Lautsprecher eine vielschichtige, dichte Räumlichkeit, der Klang sammelt sich nie nur in Lautsprechernähe, sondern verteilt sich gleichmäßig und homogen im gesamten Hörraum.  Schon subtile Elemente wie zu Beginn von "God is a DJ" von Faithless verteilt die R907 sehr gut im Raum. Gleichzeitig aber bleiben die Vocals gut zu orten, vielleicht nicht mehr der messerartigen Schärfe von Lautsprechern mit Monitorcharakteristik, aber doch so, dass nie Zweifel über den Aufenthaltsort des Sängers auf der Bühne aufkommen. Die Trennung verschiedener musikalischer Ebenen ist sehr gut - die Instrumente sind klar wahrzunehmen, während im scharfen zentralen Fokus die Stimme des Sängers liegt. 

Bei Falcos "Out of the Dark" arbeiten die Jamos die Stimme des verstorbenen Idols tadellos heraus. Das Spitze, Schrille, was in der Stimme bei gehobenem Pegel für deutliche Disharmonien sorgt, unterbindet die R907 gezielt und sorgt somit für ein entspanntes und gleichzeitig intensives Hörerlebnis. Erneut ist die empfundene Räumlichkeit auf hohem Niveau. Minimalste Details herauszuschälen, ist hingegen nicht das Hauptaugenmerk der extravaganten Box. Vielmehr steht eine sehr gute, stets nachvollziehbare Grobdynamik verbunden mit einem soliden, flächendeckenden Fundament im Vordergrund. Wir waren gespannt, ob die 907 auch bei "Wish I had an Angel" von Nightwish punkten konnte - und wurden nicht enttäuscht: Das enorme Tempo geht der Lautsprecher ausgezeichnet mit und "verhaspelt" sich auch nicht bei der Wiedergabe der schnellen E-Gitarren-Einlagen. Trotzdem wird die Stimme noch gut dargestellt - sie integriert sich tadellos, nur die Sängerin erscheint manchmal leicht zu sehr nach hinten versetzt. Die Stimmfarbe an sich ist aber prima, mit minimalem Hang zum Weicheren, leicht Gedämpften - was für Hochpegelhörer sehr angenehm ist, da Verzerrungen und Spitzen ausbleiben. Zudem hat die R907 auch bei großer Lautstärke keine Probleme, die einzelnen musikalischen Ebenen sauber voneinander zu trennen. 

Als nächstes haben wir die hervorragend verarbeitet Standbox mit Antonio Vivaldis "Vier Jahreszeiten" gefüttert - und selbst hier kein Reinfall. Aufgrund der sehr nachdrücklichen, kraftvollen Darstellungsweise haben wir hier befürchtet, der Lautsprecher könnte mit dem Violinenkonzert zu grob umgehen. Doch wir haben uns getäuscht - schwungvoll und rund modelliert die R907 ein gefälliges Klangbild heraus. Sicherlich - der Lautsprecher fürs letzte Detail ist die Jamo nicht. Aber sie arbeitet wichtige, die Wahrnehmung deutlich mitbestimmende Klanganteile sehr gut heraus und stellt sie mit leichter Wärme und intensiver Räumlichkeit dar. Auch die ruhigeren Passagen, in denen nur wenige Streicher bzw. eine Violine als Soloeinlage zu hören sind, geht die Jamo mit prima Sorgfalt an. Sie widerlegt mit dieser Vorstellung unsere Theorie, dass es sich bei der R907 um einen Schallwandler handelt, der sich am besten mit Heavy Metal, Trance/Techno oder klassischem Rock auskennt - mag man die Auslegung, ist die Box für viele Musikrichtungen sehr gut geeignet. gerade auch wegen des "Easy Listening Factors". Die R907 will den Zuhörer nicht unnötig strapazieren, sie agiert stets lässig - aber nicht nachlässig. Das zeigt sich sehr gut bei der Auslegung der Streicher, die nie ins Aggressive übergehen, auch bei wirklich hohem Pegel nicht. 

Klangparameter in der Übersicht:

  • Tonalität: Minimal steht der Bassbereich im Vordergrund - was aber der Anwender, der einen kräftigen Auftritt schätzt, nicht stören dürfte. Stimmen werden mit leichter Wärme und ohne störende Begleiterscheinungen wie Zischen oder ungewollte nasale Akzente dargestellt. Der Hochtonbereich bleibt immer auf der sicheren Seite und erfreut eher mit Harmonie als mit ungemeiner Brillanz. 
  • Hochtonwiedergabe: Sehr homogen und klar, auch räumlich beeindruckend. Extreme Strahlkraft darf nicht erwartet werden. 
  • Mitteltonbereich: Der Mitteltonbereich gliedert sich sehr gut ein, Stimmen sind stets klar verständlich. Sehr gute Räumlichkeit. 
  • Bassbereich: Hier setzt die R907 viele Akzente. Nachdruck, Volumen, Tiefgang - alles präsentiert sich in exzellenter Verfassung. Sogar die Präzision ist ordentlich. Zudem "hinkt" der Bass nicht unschön nach. 
  • Loslösung des Klangs vom Lautsprecher: Ausgezeichnet - der Klang verteilt sich fast frei im gesamten Hörraum. 
  • Räumlichkeit und Bühnenaufbau: Dichter, intensiver räumlicher Aufbau, die Bühne wird gut, aber nicht mit extremer Schärfe umrissen. 
  • Grobdynamik: Exzellent - große Dynamiksprünge werden schnell und sicher erfasst. 
  • Feindynamik: Wirklich überraschend gut - konzeptbedingte Nachteile wirken sich viel weniger aus, als wir es erwartet hätten. Kleine Dynamikunterschiede werden gut erkannt und ordentlich eingearbeitet. 
  • Pegelfestigkeit: Klare Domäne der Jamo - souverän und kontrolliert werden auch extreme Pegel absolviert, auch über längere Zeit. 
  • Wirkungsgrad: Schon aufgrund des Arbeitsprinzips sollte man hier mit leistungsstarken Verstärkern operieren - der Wirkungsgrad ist durchschnittlich.

Konkurrenzvergleich

  • Canton Reference 7.2 DC: Sehr deutlich preiswerter, zeigt die Reference mit hoher klanglicher Neutralität andere Tugenden. Natürlich ist der kleinere, schlankere Lautsprecher nicht so pegelfest - das kann man aber getrost verzeihen. Im Hochtonbereich bietet die Reference mehr Brillanz, die Mitten sind noch besser strukturiert. Der Bass aber besitzt weniger Tiefgang, und die Räumlichkeit ist weniger intensiv ausgeprägt. Insgesamt gehört die Canton nicht nur in ihrer Preisliga, sondern auch deutlich darüber zu den besonders empfehlenswerten Boxen - doch für den, der das Besondere sucht, ist die R907 eine verheißungsvolle Alternative. 

  • Aurum Montan VIII: Auch deutlich günstiger als die Jamo, beeindruckt die Montan mit dem feinen, sensiblen, breit angelegten Hochtonbereich, realisiert durch den Bändchenhochtöner. Ihr fundierter, klarer, zugleich recht üppiger Auskleidungsstil sorgt dafür, dass insbesondere Musikliebhaber, die Klassik hören, begeistert von der elitären Konstruktion sein dürften. Der Tiefgang ist auch beeindruckend, die Massivität und Kraft, die die Jamo im Bassbereich mitbringt, offeriert die Montan aber nicht im gleichen Maße. In großen Lokalitäten bietet die R907 auch noch mehr Dichte bei der räumlichen Darstellung. 

  • Klipsch Palladium: Zwei für eine - für eine Palladium bekommt man 2 x die Jamo R907, und trotz des gigantischen Preisunterschiedes finden sich Gemeinsamkeiten: Beide Lautsprecher sind enorm faszinierend und haben ein eigenes, charismatisches Wesen. Hier haben sich keine Techniker daran gesetzt, um einfach eine neutrale 08/15 Box zu konstruieren, sondern hier sollten Schallwandler mit Charakter entstehen. Auch wenn die edle Palladium noch mehr Energie freisetzt, deutlich besser detailliert und mit unglaublicher Souveränität beeindruckt: Auch die R907 bringt durch die hohe atmosphärische Dichte, die enorme Raumwirkung und den optischen Auftritt im Sinne eines extravaganten Gesamtkunstwerkes viel Potential mit, um zum Mittelpunkt des Wohnzimmers zu werden. 

Gesamtnote Klang in Relation zur Preisklasse: Ausgezeichnet - hervorragend. 

Fazit

Viele Firmen werben mit Slogans wie "für den, der das Besondere sucht". Meist verbergen sich hinter diesen Phrasen aber schnöde Allerweltsprodukte, denen nichts ferner liegt, als zu polarisieren oder individualistisch geprägten Menschen durch Einzigartigkeit zu gefallen. Ganz anders die Jamo R907 - sie hat das Zeug, dem eingangs erwähnten Motto auch wirklich gerecht zu werden. Dies dokumentiert der Lautsprecher schon "oberflächlich" zur zwei Faktoren: Kaufpreis und Optik. 4000 EUR pro Stück sind nicht wirklich günstig, somit sollten die interessierten Käufer schon etwas finanzielles Potential mitbringen. Die extravagante Optik, kombiniert mit erstklassigem Finish, macht ebenfalls deutlich, dass man es hier mit einem sehr speziellen Lautsprecher zu tun hat. Klanglich manifestiert sich der Status der R907 in drei Säulen, welche die Box prägen: Überragende Pegelfestigkeit, erstklassige Räumlichkeit und exzellente akustische Gesamtharmonie. Wer diese Auslegung mag, kann mit dem Schallwandler praktisch alle Musikrichtungen genießen. Die R907 ist kein Fall für extrem sensible Naturen, die eine nahezu perfekte Detaillierung aller musikalischen Einzelheiten fokussieren - sie arbeitet zwar Details wirklich gut heraus, aber im Hochtonbereich geht Harmonie über Strahlkraft, und auch im Mitteltonbereich widmet sie sich lieber fließenden, homogenen Übergängen und einer angenehmen Wiedergabe, als dass sie sich auf die Suche nach dem letzten Stück Struktur macht. Insgesamt bietet die Jamo R907 viele Eigenschaften, die sie zum Kultobjekt machen können - und wir sind uns sicher, dass der Lautsprecher auch mit Erfolg gehen wird.

Extravaganter, charismatischer Lautsprecher mit erstklassiger Verarbeitung, mustergültiger Pegelfestigkeit und angenehmem Klang

Stereo-Standlautsprecher Oberklasse
Test 25. Mai 2010

+ Enorme Pegelfestigkeit
+ Exzellente Räumlichkeit
+ Ausgezeichnete Grobdynamik
+ Sehr guter Tiefgang
+ Erstklassige Verarbeitung

- Hochtonbereich nicht allzu strahlend

Zu Seite 2 - Bildergalerie

Technische Daten
  • Drei-Wege-Standbox 

  • Dipol-Lautsprecher

  • Bestückung: 1" (25mm) Hochtöner, 5.5" (140mm) Mitteltöner, zwei 12" (305mm) Tieftöner

  • Übernahmefrequenzen: 250Hz, 2.5kHz. 

  • Frequenzgang: 35Hz–30kHz. 

  • Tiefbasserweiterung: –6dB @ 29Hz

  • Impedanz: 4 Ohm

  • Wirkungsgrad: 89dB/2.83V/m

  • Gewicht 52,4 kg.

Text: Carsten Rampacher
25. April 2010